30 ist ein Alter, das viele als Ende der wilden Jugendjahre sehen. Jetzt heißt es, sesshaft zu werden und anzukommen. Klischee hin oder her – auch Max Giesinger scheint ins Grübeln geraten zu sein. Seine Songbeiträge zum Thema präsentiert er auf seinem dritten Album "Die Reise". Mehr...

Die Reise: Gut unterwegs mit Max Giesinger
© Christoph Köstlin / BMG Rights Management

Mit seinem neuen Album entführt Max Giesinger auf eine Deutsch-Pop-Reise mit vielen hymnischen Ohrwürmern.

Max Giesinger hat am 3. Oktober seinen 30. Geburtstag gefeiert. Das ist ein Alter, das viele als Ende der wilden Jugendjahre sehen. Jetzt heißt es, sesshaft zu werden und anzukommen. Klischee hin oder her – auch Max scheint mit dem runden Jubiläum vor Augen ins Grübeln geraten zu sein. Die meisten seiner neuen Songs auf "Die Reise" drehen sich um das Suchen und Finden im Leben und die vielen Veränderungen, die es immer wieder mit sich bringt.

Durchbruch mit "80 Millionen"

Im Falle des sympathischen Sängers waren das in den vergangenen sieben Jahren ziemlich viele: Nach seiner Teilnahme in der Castingshow "The Voice Of Germany" klappte es zunächst nicht mit einem Plattenvertrag. Doch Max glaubte fest an seinen Traum und setzte sein Debütalbum "Laufen lernen" (2014) schließlich via Crowdfunding-Kampagne um. Er ließ keine Auftrittsgelegenheit aus und erspielte sich eine immer größere Fangemeinde.

Mit der Single "80 Millionen", die sich zum EM-Hit 2016 mauserte, gelang ihm schließlich der kommerzielle Durchbruch. Der dazugehörige Longplayer "Der Junge, der rennt" verkaufte sich bislang mehr als 250.000 Mal. Es folgten allein in der Saison 2016/17 über 300 Konzerte. Max und seine Band waren quasi ununterbrochen unterwegs. Erst im vergangenen Frühjahr gönnte sich der Junge, der so gerne tourt, eine mehrwöchige Auszeit in Thailand.

Vom Suchen, Finden und Ankommen

Endlich hatte Max Gelegenheit, das Erlebte Revue passieren zu lassen, seinen Senkrechtstart zu begreifen und ein Fazit zu ziehen. In dieser Phase sind sicher einige der neuen Songs entstanden. In der Single "Zuhause" thematisiert der Wahl-Hamburger seine Rastlosigkeit in den letzten Jahren. Er fragt sich, ob er „süchtig nach Veränderung“ sei, singt in der Bridge aber doch von der Sehnsucht, irgendwann anzukommen.

Im griffigen Titelstück sieht er das Leben als ungewisse, viel zu schnell vorübergehende Reise, die Überraschungen bereithält und einen oft auf Umwegen und nach Rückschlägen schließlich doch ans Ziel bringt.

Manchmal gibt es Momente, da steckt man fest im grauen Alltag und es bleibt nur die Option, in Gedanken auszubrechen und zu träumen. Diese Stimmung greift die euphorische Nummer "Legenden" auf, die insgeheim wohl als WM-Hit angedacht war. Doch die deutsche Nationalelf hat dem Giesinger-Masterplan leider einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Rockig inszenierter Deutsch-Pop

Halb so schlimm: Nahezu jeder andere Titel auf "Die Reise" birgt Chartpotenzial, ohne dabei zu berechnend daherzukommen. Gleich beim optimistisch nach vorne schauenden Opener "Bis du bereit?" beweist Max sein Gespür für hymnische Ohrwürmer, die im Radio und im Stadion gleichermaßen funktionieren.

Angenehm rockige Riffs sind fast durchgehend präsent und passen prima zu Giesingers markant-kratziger Stimme, etwa beim Road-Trip-Song "Australien" und dem fast schon grönemeyeresken "Ultraviolett". Das melancholische "Wenn ich leiser bin" lässt zu einem elektronischen Beat flirrende Police-Gitarren aufblitzen.

Vielleicht ein bisschen kitschig wird es bei den Balladen: Die Herzschmerz-Nummer "Leerer Raum" verlässt sich auf Standardakkorde. Durch die reduzierte Piano-Streicher-Inszenierung und Max' gefühlvollem Gesang hat die durchschaubare Komposition aber durchaus ihren Reiz.

Liebeserklärung im Walzertakt

Spannender ist auf jeden Fall das rhythmisch verspielte "Lieber geh ich" über eine gescheiterte Beziehung auf Distanz. Nur die "Uhuhu"-Einlage im Hintergrund schmeckt ein wenig zu sehr nach Schlager. Mit "Die Ausnahme" hat Max auch noch eine kuscheltaugliche Liebeserklärung im Walzertakt in petto.

Oder wie wäre es mit der dunkel gefärbten Folk-Pop-Ballade "Sommer", die sich zu einer charmanten Melodica-Hookline hinreißen lässt? Tatsächlich sommerlich mutet aber erst das chillige "Rucksack" an, bei dem sich Max groovend als starke Schulter anbietet. Wer könnte da ablehnen?

Realistisches Zwischenfazit

In "Wir waren hier" blickt der Musiker am Ende noch einmal zurück auf seinen bisherigen Weg und zeigt sich dankbar für den aktuellen Erfolg. „Auch wenn das alles morgen keinen mehr interessiert“, besingt er ganz realistisch die Ungewissheit, ob dieser wirklich dauerhaft anhält.

Zumindest in naher Zukunft dürfte Max Giesinger aber nicht so schnell wieder in der Versenkung verschwinden: "Die Reise" ist nämlich ein gelungenes und – allen drohenden Unkerufen seitens Jan Böhmermann und Co zum Trotz – authentisches Deutsch-Pop-Album geworden.

Dieses knüpft wieder mehr an das melodiöse Debüt "Laufen lernen" an, während "Der Junge, der rennt" zuletzt mit ein paar weniger starken Songideen zu kämpfen hatte.

Mehr Infos zum Künstler: www.maxgiesinger.de

Veröffentlichung am 23.11.2018 (BMG Rights Management)

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  • Rezension zu: Max Giesinger: Die Reise
  • Redaktionswertung:

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