Daumen hoch für handgemachten, klassisch angehauchten Deutsch-Pop! Daumen runter für kitschige Schlagertexte! Das Trio Stilbruch findet mit seinem neuen Album "Nimm mich mit" kein durchgehend überzeugendes Konzept. Pur-Fans könnten dennoch auf ihre Kosten kommen. Mehr...

Von TEXT-BAUER
Stilbruch zwischen Deutsch-Pop und Schlager
© Christian Hüller

Daumen hoch für handgemachten, klassisch angehauchten Deutsch-Pop! Daumen runter für kitschige Schlagertexte!

Ein Stilbruch kann gewagt ausfallen, muss er aber nicht wie im Falle des gleichnamigen Trios mit Mitgliedern aus Berlin, Leipzig und Dresden. Das Besondere: Die Musiker setzen klassische Instrumente für ihre Popsongs ein. Das klingt erfrischend. So wirklich innovativ ist diese Idee aber auch nicht.

Bandgründer Sebastian Maul spielt Cello, Eli Fabrikant hat die Violine fest im Griff. Schlagzeuger Gunnar Nilsson sorgt für eine dezente rockige Note - gerade bei den schwungvollen Stücken des neuen, per Crowdfunding finanzierten Albums "Nimm mich mit".

Hookline bei The Cure abgekupfert

Das dritte Werk von Stilbruch beginnt sogleich mit einem "Schon mal gehört"-Erlebnis: Die Hookline des Openers "Mein Herz geht auf" wurde frech beim Klassiker "Friday I'm In Love" von The Cure abgekupfert. Immerhin entwickeln sich Strophe und Refrain dann anders als die Vorlage.

Die beiden großen Stilbruch-Schwächen offenbaren sich dennoch schon in den ersten dreieinhalb Minuten: Maul beherrscht zwar sein Instrument, ein überzeugender Sänger ist er dagegen nicht. Seiner Stimme fehlt es an Druck und Volumen, um sich gegen das dominante und mitreißende Cello- und Violinenspiel durchzusetzen.

Als weiteres Manko erweisen sich die deutschen Songtexte, die mit einer Überdosis Floskeln und Durchhalteparolen aufwarten ("Steh auf", "So wie du bist"). Bei den Balladen und emotionalen Themen versinken Stilbruch sogar bis zum Hals im Kitsch-Sumpf ("Leg deinen Kopf in meine Hände", "Nimm mich mit").

Bei einer Zeile wie "Ich erinner' mich, als dein Lächeln meine Seele geflutet hat" müssen die Jungs damit rechnen, schnell als schleimige Schlagerbarden abgestempelt zu werden. Dabei nennen sie doch den großen Rio Reiser als ihr Vorbild und haben diesem mit "Du lebst in mir" sogar ein Lied gewidmet. Aber nein: Mit ihrem "Reim dich oder stirb"-Konzept erreichen Stilbruch nicht annähernd die Songwriter-Qualitäten ihres Idols.

Wer kommt mit ins Abenteuerland?

Selbst wenn sie in "Auf Deutschland" Gesellschaftskritik üben, kratzen sie als Stichwortgeber an der Oberfläche. Viel besser steht der Formation eine unbeschwerte Nummer wie "Komm mit mir". In der freudigen Ode an den eigenen Nachwuchs ist in der zweiten Strophe auch vom "Abenteuerland" die Rede. Handelt es sich dabei etwa um einen versteckten Gruß an Pur? Fans von Hartmut Engler und Co könnten tatsächlich Gefallen an der Musik von Stilbruch finden, weil sie ebenfalls sehr positiv gestimmt ist und gut ins Ohr geht.

Auf ihrem 14-tägigen Straßenmusik-Marathon durch insgesamt 42 Orte werden Sebastian, Eli und Gunnar mit ihrem leicht verdaulichen Deutsch-Pop sicher ihr Publikum finden. Da Schlagereskes momentan einen regelrechten Hype erlebt, gelingt ihnen vielleicht sogar ein Überraschungserfolg in den Charts.

Link: www.stilbruch.tv

Veröffentlichung am 02.09.2016 (Musicstarter)

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